Seit dem Jahr 2012 findet der Sponsorenlauf der Freiherr-von-Schütz-Schule (FvSS) alle zwei Jahre zugunsten geplanter Projekte der Partnerschule CERSOM in Kamerun statt. So konnten wir bereits einen Sportplatz, die Ausstattung des Informatikraums mit modernen PCs sowie den Bau einer Wasserzisterne mitfinanzieren.
Seitdem ein regelmäßiger Kontakt zwischen dem Schulleiter der FvS-Schule, Herrn Martin Fringes, sowie dem Schulleiter des CERSOM, Herrn Innocent Djonthe, besteht, kam auch immer wieder der Gedanke an einen Lehreraustausch auf. Nun wollen vom 24.3. -7.4. 2017 sieben neugierige hörende und gehörlose Lehrer_innen und Erzieher_innen der FvSS Bad Camberg nach Bafoussam in Kamerun aufbrechen. Ebenfalls dabei ist eine Erzieherin der Schule am Sommerhoffpark Frankfurt sowie der Ehepartner einer Lehrerin. Möglich gemacht haben diese Reise durch ihr großes Engagement und ihre detailgenaue Planung die beiden ehemaligen Freiwilligen von CERSOM, Fabienne Schwartz und Judith Herbener sowie Ulrike Schulze, eine Kommilitonin von Fabienne, die uns unter anderem bei den Vorbereitungen durch ihre grandiosen DGS-Kenntnisse beim Dolmetschen unterstützte. Diese drei werden uns als Orga-Team nach Kamerun begleiten.
Um uns gut auf die Reise vorzubereiten, organisierten Fabienne, Judith und Ulrike ein Wochenendseminar vom 20.-22. Januar 2017 an der FvSS. Hierbei sollten unsere Fragen und Wünsche zur Verständigung vor Ort, zur Geschichte, Kultur und den Menschen des Landes, zu den Reisevorbereitungen sowie zur Gestaltung des Aufenthaltes vor Ort geklärt werden.
Nach einer ganz normalen Woche „Schulalltag“waren wir alle etwas müde, als wir uns am Freitag um 14 Uhr im Informatikraum der FvSS einfanden. Diese Müdigkeit verflog jedoch sofort als es direkt ganz praktisch mit ersten Vokabeln der Langue des signes francaise (LSF) - der französischen Gebärdensprache - losging. Für unsere drei gehörlosen Teilnehmer schien dies eine leichte Ü bung zu sein, alle anderen schlugen sich aber auch ganz gut. Die wohl wichtigste Information, die die Organisation der Reise betraf, war, dass wir mit allen Teilnehmer_innen im Haus der Familie Djonthe untergebracht werden können und dort auch gemeinsam essen werden. So können wir unsere Abende alle zusammen verbringen. Ü ber diese großzügige Geste sind wir sehr dankbar und freuen uns, in der Familie zu Gast sein zu dürfen.
Für den Samstag hatte das Orgateam zwei externe Referentinnen eingeladen. Ziel war es, dass sich alle Teilnehmer mit dem Thema „Rassismus“und der eigenen Einstellung dazu reflektiert auseinandersetzen. Mein persönlicher erster Gedanke war: „Ich habe sowieso in keinem Fall eine rassistische Einstellung, aber sicher werde ich dort noch ein paar wichtige Impulse erhalten“. Bereits bei der Vorstellungsrunde konnte jedoch auch ich lernen, dass es noch einige klischeehafte Vorstellungen in meinem Kopf gibt. So erwähnte ich, dassich noch nie in „Afrika“gewesen sei...Dann überlegte ich und fügte hinzu: „Ach doch, aber das war in Ägypten...“Irgendwie hatte ich Ägypten meinem Bild von Afrika nicht so ganzzugeordnet. Regte es mich nicht immer furchtbar auf, wenn US- Amerikaner sagten, sie seien auch schon in Deutschland gewesen, nämlich am Eiffelturm? Und nun musste ich mir bewusstmachen, dassAfrika doch genausowenig ein „Einheitsbrei“ist wie Europa und dass man dies auch zum Ausdruck bringen sollte. Um Erkenntnisse wie diese, das Erweitern des eigenen Horizontes sowie einen Perspektivwechsel sollte es den gesamten Samstag lang gehen. Die Referentinnen Grace Yubi aus Kamerun und Jane Kranz aus Kenia hatten dafür viele interessante Dinge vorbereitet: Zunächst gab es einen längeren Vortrag über die Geschichte Kameruns, die durch die Kolonialherrschaften Deutschlands, Englands und Frankreichs geprägt ist. Jane betonte mehrfach, dass deutsche Touristen in Kamerun sehr willkommen seien, da die Kolonialherrschaft Deutschlands dort angesehener sei als die der nachfolgenden Franzosen. Uns deutsche Teilnehmer hatte diese Aussage relativ verstört, da aus unserer Sicht ein Kolonialsystem an sich unrecht ist und wir es seltsam fanden, dort eine Wertigkeit hinein zu bringen.
Auch über die Sprachvielfalt Kameruns bekamen wir an diesem Vormittag Informationen. Bafoussam liegt in dem Teil des Landes, der französische Kolonie war, und somit wird in diesem Teil noch immer offiziell französisch gesprochen. Es gibt jedoch zahlreiche Bantusprachen, die teilweise von Ort zu Ort variieren.
Nach dem Vortrag gab es eine praktische Übung für die Gruppe. Jeder bekam ein afrikanisches Sprichwort und gemeinsam sollten wir ein uns bekanntes Sprichwort finden, das sinngemäß das Gleiche aussagt.Und dies war gar nicht schwer, da sich herausstellte, dass die Menschen in aller Welt das Gleiche bewegt und sie dies in ähnlichen Sprichwörtern zum Ausdruck bringen: Fragen nach dem Sinn des Lebens, Familie, Freundschaft, Lebenswege, Kindererziehung...
Im Anschluss ging es umdie Frage, welches Bild wir von„Afrika“haben. Sonnenuntergang, Landschaft, Tiere waren da die positiv besetzten Klischees, Kinderarmut und –sterblichkeit die negativ besetzen Klischees. Beim gemeinsamen Betrachten von Fotos wurde diese Perspektive ein wenig „verrückt“: Wir sahen Bilder ausAfrika mit fröhlichen Menschen, zu Fuß oder mit dem Fahrrad, auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule, lachend oder mit dem Handy telefonierend. Ebenso sahen wir Fotos von großer Kinderarmut in westeuropäischen Ländern. Durch diese Betrachtungen wurde nicht nur der Blick auf den afrikanischen Kontinent verändert, sondern zugleich auch die Frage geklärt, ob wir vor Ort fotografieren dürfen. Die Regeln sollten in jedem Land die gleichen sein: 1. Frage die Menschen, die du fotografierst! 2. Ü berlege, in welcher Situation du selbst gern und in welcher du nicht so gern fotografiert werden möchtest!
Die abschließende Gruppenübung bestand darin, verschiedene Darstellungen Afrikas in den Medien zu reflektieren. Hier wurde sehr deutlich, dass oftmals die bekannten Klischees im Vordergrund stehen. Erschreckender Weise wurde offensichtlich, dass Hilfsorganisationen die Klischees auch ganz bewusst einsetzen, um mehr Spendengelder zu erzielen. Dabei wird nicht nur die Würde der fotografierten Menschen missachtet, sondern dem potenziellen Spender eine Schuld suggeriert, von der er sich nur mit seiner Geldspende „frei kaufen“kann. Dass es auch anders geht, zeigten uns die kreativen Plakate einer Hilfsorganisation, die sich offensichtlich mit dem Thema positiv auseinandergesetzt hat und so Alternativen finden konnte.
Natürlich ist Kamerun ein für uns fremdes Land mit einer eigenen Geschichte, einer eigenen Kultur und fremden Sprachen. Und die Einflüsse der Kolonialherrschaft lassen sich nicht leugnen. Aber wir sind nun dank des toll vorbereiteten Seminarsamstags gewappnet, diese Unterschiede mit großer Freude und Neugier zu entdecken sowie den Blick auf Gemeinsames und Positives zu richten. Und die größte Gemeinsamkeit mit den Menschen, die wir dort treffen, wird natürlich unabhängig der kulturellen Unterschiede, das große Engagement für und die Freude an der Arbeit mit hörgeschädigten Menschen sein.
Der Sonntagvormittag, der den dritten und abschließenden Teil unseres Vorbereitungsseminars darstellte, stand noch einmal ganz im Zeichen der konkreten Vorbereitung unserer Fahrt. Zunächst bekamen wir von Fabienne, Judith und Ulrike unseren Wochenplan ausgeteilt, in den für jeden Tag unseres Aufenthalts in Kamerun schon ein vorläufiges Programm geplant war: Neben ausführlichen Zeitfenstern für Klassenhospitationen, Spielen und anderen Aktivitäten mit den Schüler_innen und dem Austausch mit den Lehrerinnen und Lehrern von CERSOM, waren auch Lücken für die Akklimatisierung an das Land, das kulturelle Leben (Spaziergang im Quartier, Besuch des Marktes..) und auch touristische Ausflüge zu Kraterseen, einer Kaffeeplantage und einem alten Königspalast eingeplant. Im Anschluss an die bisherigen Planungen unserer drei Reiseorganisatorinnen durften wir noch unsere persönlichen Wünsche in den Wochenplan einbringen und konnten so unsere Vorstellungen, was uns in den 14 Tagen unseres Aufenthalts in Bafoussam erwarteten wird, konkretisieren.
Ein nächster wichtiger Meilenstein in der Gestaltung des Sonntags waren die Ü berlegungen, was der Inhalt des Austauschs mit den Lehrerinnen und Lehrern aus CERSOM darstellen könnte. Dazu veranstalteten wir ein großes gemeinsames Brainstorming, bei dem jeder seine Fähigkeiten, Vorkenntnisse und sein persönliches „Expertentum“aus den verschiedensten Gebieten (Sprachen, Basteln und Gestalten, Unterrichtsstufen und -fächer, Sportarten, didaktische Methoden, handwerkliche Kenntnisse....) einbringen konnte. Gewappnet mit diesem Schatz an Fertigkeiten wollen wir dann in der zweiten Woche des CERSOM-Besuchs in einen offenen und für beide Seiten erfahrungsreichen Austausch treten und sind schon ganz gespannt, was wir von unseren Partnerschulkolleginnen und -kollegen lernen können!
Abschließend war noch Zeit für eine letzte Fragerunde und auch die Gebärden in LSF wurden noch einmal zur Festigung wiederholt. Danach konnten wir unseren drei Organisatorinnen nur noch durch ein ganz herzliches Feedback unseren Dank für das sehr gut geplante und hochinformative Vorbereitungswochenende geben: Unsere gemeinsame Fahrt war nun gefühlt ein großes Stück näher gerückt und die Vorfreude auf das Land und die Menschen durch die vielseitigen Eindrücke der vergangenen Tage noch erheblich gewachsen:
CERSOM, wir kommen!
Text: Katrin Blumenstein und Leena Knorr
Das war ein superschönes WE - vielen Dank auch für den schönen Bericht !!!
AntwortenLöschenVielen Dank :-)
AntwortenLöschenDie Aufregung steigt: Nur noch so wenige Tage, bis wir alles wirklich sehen!
Ich bin sehr gespannt und freue mich sehr alles zu sehen und die Kollegen kennen zu lernen.
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