Sonntag, 19. März 2017

Vorbereitungsseminar

Seit dem Jahr 2012 findet der Sponsorenlauf der Freiherr-von-Schütz-Schule (FvSS) alle zwei Jahre  zugunsten geplanter Projekte der Partnerschule CERSOM in Kamerun statt. So konnten wir bereits  einen Sportplatz, die Ausstattung des Informatikraums mit modernen PCs sowie den Bau einer  Wasserzisterne mitfinanzieren.


Seitdem ein regelmäßiger Kontakt zwischen dem Schulleiter der FvS-Schule, Herrn Martin Fringes,  sowie dem Schulleiter des CERSOM, Herrn Innocent Djonthe, besteht, kam auch immer wieder der  Gedanke an einen Lehreraustausch auf. Nun wollen vom 24.3. -7.4. 2017 sieben neugierige hörende  und gehörlose Lehrer_innen und Erzieher_innen der FvSS Bad Camberg nach Bafoussam in Kamerun  aufbrechen. Ebenfalls dabei ist eine Erzieherin der Schule am Sommerhoffpark Frankfurt sowie der  Ehepartner einer Lehrerin. Möglich gemacht haben diese Reise durch ihr großes Engagement und  ihre detailgenaue Planung die beiden ehemaligen Freiwilligen von CERSOM, Fabienne Schwartz und  Judith Herbener sowie Ulrike Schulze, eine Kommilitonin von Fabienne, die uns unter anderem bei  den Vorbereitungen durch ihre grandiosen DGS-Kenntnisse beim Dolmetschen unterstützte. Diese  drei werden uns als Orga-Team nach Kamerun begleiten.

Um uns gut auf die Reise vorzubereiten, organisierten Fabienne, Judith und Ulrike ein  Wochenendseminar vom 20.-22. Januar 2017 an der FvSS. Hierbei sollten unsere Fragen und  Wünsche zur Verständigung vor Ort, zur Geschichte, Kultur und den Menschen des Landes, zu den  Reisevorbereitungen sowie zur Gestaltung des Aufenthaltes vor Ort geklärt werden.
Nach einer ganz normalen Woche „Schulalltag“waren wir alle etwas müde, als wir uns am Freitag um  14 Uhr im Informatikraum der FvSS einfanden. Diese Müdigkeit verflog jedoch sofort als es direkt  ganz praktisch mit ersten Vokabeln der Langue des signes francaise (LSF) - der französischen  Gebärdensprache - losging. Für unsere drei gehörlosen Teilnehmer schien dies eine leichte Ü bung zu  sein, alle anderen schlugen sich aber auch ganz gut. Die wohl wichtigste Information, die die  Organisation der Reise betraf, war, dass wir mit allen Teilnehmer_innen im Haus der Familie Djonthe  untergebracht werden können und dort auch gemeinsam essen werden. So können wir unsere  Abende alle zusammen verbringen. Ü ber diese großzügige Geste sind wir sehr dankbar und freuen  uns, in der Familie zu Gast sein zu dürfen.

Für den Samstag hatte das Orgateam zwei externe Referentinnen eingeladen. Ziel war es, dass sich  alle Teilnehmer mit dem Thema „Rassismus“und der eigenen Einstellung dazu reflektiert  auseinandersetzen. Mein persönlicher erster Gedanke war: „Ich habe sowieso in keinem Fall eine  rassistische Einstellung, aber sicher werde ich dort noch ein paar wichtige Impulse erhalten“. Bereits  bei der Vorstellungsrunde konnte jedoch auch ich lernen, dass es noch einige klischeehafte  Vorstellungen in meinem Kopf gibt. So erwähnte ich, dassich noch nie in „Afrika“gewesen sei...Dann  überlegte ich und fügte hinzu: „Ach doch, aber das war in Ägypten...“Irgendwie hatte ich Ägypten  meinem Bild von Afrika nicht so ganzzugeordnet. Regte es mich nicht immer furchtbar auf, wenn US- Amerikaner sagten, sie seien auch schon in Deutschland gewesen, nämlich am Eiffelturm? Und nun  musste ich mir bewusstmachen, dassAfrika doch genausowenig ein „Einheitsbrei“ist wie Europa und  dass man dies auch zum Ausdruck bringen sollte. Um Erkenntnisse wie diese, das Erweitern des  eigenen Horizontes sowie einen Perspektivwechsel sollte es den gesamten Samstag lang gehen. Die  Referentinnen Grace Yubi aus Kamerun und Jane Kranz aus Kenia hatten dafür viele interessante  Dinge vorbereitet: Zunächst gab es einen längeren Vortrag über die Geschichte Kameruns, die durch  die Kolonialherrschaften Deutschlands, Englands und Frankreichs geprägt ist. Jane betonte mehrfach, dass deutsche Touristen in Kamerun sehr willkommen seien, da die Kolonialherrschaft Deutschlands  dort angesehener sei als die der nachfolgenden Franzosen. Uns deutsche Teilnehmer hatte diese  Aussage relativ verstört, da aus unserer Sicht ein Kolonialsystem an sich unrecht ist und wir es  seltsam fanden, dort eine Wertigkeit hinein zu bringen.  
Auch über die Sprachvielfalt Kameruns bekamen wir an diesem Vormittag Informationen. Bafoussam  liegt in dem Teil des Landes, der französische Kolonie war, und somit wird in diesem Teil noch immer  offiziell französisch gesprochen. Es gibt jedoch zahlreiche Bantusprachen, die teilweise von Ort zu Ort  variieren.
Nach dem Vortrag gab es eine praktische Übung für die Gruppe. Jeder bekam ein afrikanisches  Sprichwort und gemeinsam sollten wir ein uns bekanntes Sprichwort finden, das sinngemäß das  Gleiche aussagt.Und dies war gar nicht schwer, da sich herausstellte, dass die Menschen in aller Welt  das Gleiche bewegt und sie dies in ähnlichen Sprichwörtern zum Ausdruck bringen: Fragen nach dem  Sinn des Lebens, Familie, Freundschaft, Lebenswege, Kindererziehung...  

Im Anschluss ging es umdie Frage, welches Bild wir von„Afrika“haben. Sonnenuntergang, Landschaft,  Tiere waren da die positiv besetzten Klischees, Kinderarmut und –sterblichkeit die negativ besetzen  Klischees. Beim gemeinsamen Betrachten von Fotos wurde diese Perspektive ein wenig „verrückt“:  Wir sahen Bilder ausAfrika mit fröhlichen Menschen, zu Fuß oder mit dem Fahrrad, auf dem Weg zur  Arbeit oder zur Schule, lachend oder mit dem Handy telefonierend. Ebenso sahen wir Fotos von  großer Kinderarmut in westeuropäischen Ländern. Durch diese Betrachtungen wurde nicht nur der  Blick auf den afrikanischen Kontinent verändert, sondern zugleich auch die Frage geklärt, ob wir vor  Ort fotografieren dürfen. Die Regeln sollten in jedem Land die gleichen sein: 1. Frage die Menschen,  die du fotografierst! 2. Ü berlege, in welcher Situation du selbst gern und in welcher du nicht so gern  fotografiert werden möchtest!  

Die abschließende Gruppenübung bestand darin, verschiedene Darstellungen Afrikas in den Medien  zu reflektieren. Hier wurde sehr deutlich, dass oftmals die bekannten Klischees im Vordergrund  stehen. Erschreckender Weise wurde offensichtlich, dass Hilfsorganisationen die Klischees auch ganz  bewusst einsetzen, um mehr Spendengelder zu erzielen. Dabei wird nicht nur die Würde der  fotografierten Menschen missachtet, sondern dem potenziellen Spender eine Schuld suggeriert, von  der er sich nur mit seiner Geldspende „frei kaufen“kann. Dass es auch anders geht, zeigten uns die  kreativen Plakate einer Hilfsorganisation, die sich offensichtlich mit dem Thema positiv  auseinandergesetzt hat und so Alternativen finden konnte.  

Natürlich ist Kamerun ein für uns fremdes Land mit einer eigenen Geschichte, einer eigenen Kultur  und fremden Sprachen. Und die Einflüsse der Kolonialherrschaft lassen sich nicht leugnen. Aber wir  sind nun dank des toll vorbereiteten Seminarsamstags gewappnet, diese Unterschiede mit großer  Freude und Neugier zu entdecken sowie den Blick auf Gemeinsames und Positives zu richten. Und die  größte Gemeinsamkeit mit den Menschen, die wir dort treffen, wird natürlich unabhängig der  kulturellen Unterschiede, das große Engagement für und die Freude an der Arbeit mit  hörgeschädigten Menschen sein.


Der Sonntagvormittag, der den dritten und abschließenden Teil unseres Vorbereitungsseminars  darstellte, stand noch einmal ganz im Zeichen der konkreten Vorbereitung unserer Fahrt. Zunächst  bekamen wir von Fabienne, Judith und Ulrike unseren Wochenplan ausgeteilt, in den für jeden Tag  unseres Aufenthalts in Kamerun schon ein vorläufiges Programm geplant war: Neben ausführlichen  Zeitfenstern für Klassenhospitationen, Spielen und anderen Aktivitäten mit den Schüler_innen und  dem Austausch mit den Lehrerinnen und Lehrern von CERSOM, waren auch Lücken für die  Akklimatisierung an das Land, das kulturelle Leben (Spaziergang im Quartier, Besuch des Marktes..)  und auch touristische Ausflüge zu Kraterseen, einer Kaffeeplantage und einem alten Königspalast  eingeplant. Im Anschluss an die bisherigen Planungen unserer drei Reiseorganisatorinnen durften wir  noch unsere persönlichen Wünsche in den Wochenplan einbringen und konnten so unsere  Vorstellungen, was uns in den 14 Tagen unseres Aufenthalts in Bafoussam erwarteten wird,  konkretisieren.  
Ein nächster wichtiger Meilenstein in der Gestaltung des Sonntags waren die Ü berlegungen, was der  Inhalt des Austauschs mit den Lehrerinnen und Lehrern aus CERSOM darstellen könnte. Dazu  veranstalteten wir ein großes gemeinsames Brainstorming, bei dem jeder seine Fähigkeiten,  Vorkenntnisse und sein persönliches „Expertentum“aus den verschiedensten Gebieten (Sprachen,  Basteln und Gestalten, Unterrichtsstufen und -fächer, Sportarten, didaktische Methoden,  handwerkliche Kenntnisse....) einbringen konnte. Gewappnet mit diesem Schatz an Fertigkeiten  wollen wir dann in der zweiten Woche des CERSOM-Besuchs in einen offenen und für beide Seiten  erfahrungsreichen Austausch treten und sind schon ganz gespannt, was wir von unseren  Partnerschulkolleginnen und -kollegen lernen können!  
Abschließend war noch Zeit für eine letzte Fragerunde und auch die Gebärden in LSF wurden noch  einmal zur Festigung wiederholt. Danach konnten wir unseren drei Organisatorinnen nur noch durch  ein ganz herzliches Feedback unseren Dank für das sehr gut geplante und hochinformative  Vorbereitungswochenende geben: Unsere gemeinsame Fahrt war nun gefühlt ein großes Stück  näher gerückt und die Vorfreude auf das Land und die Menschen durch die vielseitigen Eindrücke der  vergangenen Tage noch erheblich gewachsen:

CERSOM, wir kommen!


Text: Katrin Blumenstein und Leena Knorr

3 Kommentare:

  1. Das war ein superschönes WE - vielen Dank auch für den schönen Bericht !!!

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  2. Vielen Dank :-)

    Die Aufregung steigt: Nur noch so wenige Tage, bis wir alles wirklich sehen!

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  3. Ich bin sehr gespannt und freue mich sehr alles zu sehen und die Kollegen kennen zu lernen.

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